EU-Lieferkettengesetz betrifft auch Schweizer Unternehmen

Mit dem EU-Lieferkettengesetz werden Unternehmen in der EU dazu verpflichtet Menschenrechte entlang ihrer Lieferketten einzuhalten – dies kann auch Schweizer Unternehmen betreffen. Alles Wissenswerte über das neue Gesetz.

Am 29. November 2020 scheiterte die Schweizer Konzernverantwortungsinitiative (KVI) am Ständemehr. Die Kernanliegen der Initiative könnten nun jedoch mit einem Vorschlag der EU-Kommission dennoch erreicht werden und für Schweizer Unternehmen von Relevanz sein. Am 23. Februar 2022 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein Gesetz über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen, das sogenannte EU-Lieferkettengesetz vorgelegt. Das Gesetz soll Firmen zur Einhaltung der gesamten Wertschöpfungskette innerhalb ihres eigenen Geschäftsbereichs verpflichten.

Was ist das EU-Lieferkettengesetz?

 

Der Entwurf für das europäische Lieferkettengesetz verpflichtet EU-Firmen dazu, ihre Zulieferer entlang der gesamten globalen Lieferkette zu überprüfen, inklusive aller direkter und indirekter Geschäftsbeziehungen.

Das Ziel ist die weltweite Einhaltung von geltenden Menschenrechtsstandards und des Umweltschutzes, um eine fairere und nachhaltigere globale Wirtschaft sowie eine verantwortungsvolle Unternehmensführung zu fördern.

Sobald der Entwurf vom Europäischen Parlament und Rat gebilligt wird, haben die EU-Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationale Gesetze zu überführen. Deutschland muss sein ab Januar 2023 geltendes Lieferkettengesetz (LkSG) dann nachschärfen.

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Für wen gilt das EU-Lieferkettengesetz?

Wichtig für die Schweiz: Betroffen vom neuen Lieferkettengesetz sind auch Firmen aus Drittstaaten, sofern sie die genannten Umsatzzahlen von 150 Millionen Euro oder 40 Millionen Euro auf dem europäischen Binnenmarkt erreichen.

Folgende Rechtsformen sollen von dieser Regelung erfasst werden:

Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und des Weiteren regulierte Finanzunternehmen sowie Versicherungsunternehmen

Was müssen Schweizer Unternehmen laut Liefergesetz beachten?

Schweizer Unternehmen mit Niederlassungen in einem EU-Mitgliedsland, welche die genannten Umsatzzahlen erreichen, müssen ihre unternehmerischen Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette und in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt erfüllen. Folgende Schritte müssen sie hierfür umsetzen:

Die Sorgfaltspflicht bezieht sich dann aber nicht nur auf die eigene Geschäftstätigkeit oder die der Tochtergesellschaften, sondern gleichermassen auf direkte und indirekte Lieferanten (sofern es sich um eine etablierte also dauerhafte Geschäftsbeziehung handelt) sowie die Nutzung und Entsorgung der hergestellten Waren.

Welche Verstöße fallen unter das Lieferkettengesetz?

Europäische Firmensind dann in der Verantwortung sicherzustellen, dass ihre Zulieferer nicht gegen Menschenrechte und Umweltschutz verstoßen wie z. B.:

Welche Haftungsklausel enthält das Lieferkettengesetz?

EU-Firmen sollen nach dem Lieferkettengesetz auch zivilrechtlich haftbar gemacht werden, wenn der Verstoß gegen die Menschenrechte oder Umweltschutz von einem Zulieferer begangen wurde, mit dem sie dauerhaft und regelmäßig zusammenarbeiten. Von der Haftung können Firmen sein, wenn diese mit Handelspartnern Verhaltenskodexe abgeschlossen haben und deren Einhaltung verifiziert wurde.

 

Wie bereiten sich Unternehmen am besten auf das Lieferkettengesetz vor?

Schweizer Unternehmen mit EU-Niederlassungen müssen die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen nicht nur für sich und ihre Tochterfirmen im EU-Mitgliedsland gewährleisten, sondern auch für ihre Zulieferer entlang der gesamten Wertschöpfungskette, d.h. konkret alle Tätigkeiten, die in Zusammenhang mit der Produktion der Waren oder Erbringung von Dienstleistungen stehen und schliesst alle vor- und nachgelagerten Geschäftsbeziehungen mit ein.

Betroffene Unternehmen müssen daher genau überprüfen, woher die zugelieferte Ware kommt, wie diese hergestellt wurde und welche Folgen dies für Umwelt und Klima hatte. Bei Importen aus Drittweltländern kann die Prüfung der kompletten Lieferkette durchaus eine grössere Herausforderung darstellen.

Um sich auf alle Anforderungen der neuen Regelung rechtssicher vorzubereiten, sollten Unternehmen sollten ein kontinuierliches und nachvollziehbares Risiko-Assessment durchführen. Mit Hilfe einer flexiblen Geschäftspartnerprüfung als fester Bestandteil des Compliance Management Systems (CMS) kommen die Firmen zugleich ihren Sorgfaltspflichten nachkommen und diese zugleich dokumentieren.

Ein weiterer bewährter Bestandteil des CMS ist ein digitales Hinweisgebersystem, welches die Anforderung des neuen Regulariums an ein Beschwerde-System erfüllt. Mit beiden Tools sind die zuständigen Abteilungen auf die Anforderungen des EU-Lieferkettengesetzes adäquat und rechtssicher vorbereitet.

Was bedeutet das Gesetz für KMU?

Kleine und mittelgrosse Unternehmen sind indirekt vom Lieferkettengesetz betroffen, denn mittelfristig werden die grossen Firmen auch KMU dazu verpflichten, ihre Lieferketten zu überprüfen und sich die Einhaltung der Sorgfaltspflichten im Bereich der Menschenrechte und des Umweltschutzes zusichern lassen.

Dies kann aber durchaus eine Chance für KMUs bedeuten, denn KMUs, die sich frühzeitig klar positionieren und vorbereiten, profitieren von Wettbewerbsvorteilen gegenüber ihren Konkurrenten. Dennoch erfordert dies neben Ressourcen auch umfassendes Know-How. Daher ist es gerade für KMUs sinnvoll, auf ganzheitliche Lösungen zu setzen, die diese Prozesse digital abbilden und bei der Einhaltung aller Anforderungen unterstützen.

Um KMUs zu entlasten, beinhaltet das Gesetz verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung, wie z. B. soll die Kreditvergabe an KMU unberührt bleiben und zudem die Kosten für die Einhaltung der Anforderungen mit staatlicher Beihilfe subventioniert werden.

Der Weg zu einem europäischen Lieferkettengesetz und Bewegung in der Schweiz

Die Zeichen standen von Anfang auf grün: Im Dezember 2020 sprachen sich alle 27 Mitgliedsstaaten für ein europäisches Lieferkettengesetz aus. Im März 2021 nahmen die EU-Abgeordneten einen Gesetzesvorschlag über die Rechenschafts- und Sorgfaltspflicht von Unternehmen an. Die EU-Kommission arbeitete einen Entwurf aus und stellte diesen im Februar 2022 vor.

Im weiteren Verfahren geht dieser Vorschlag an das Europäische Parlament und den Rat zur Billigung. Experten erwarten dennoch, dass der Vorschlag im Parlament noch intensiv debattiert wird, bevor das Lieferkettengesetz – voraussichtlich 2023 – verabschiedet sein wird und neue Massstäbe schaffen kann. Danach müssen die EU-Staaten die Direktive innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen.

Deutschland hat bereits 2021 ein Lieferkettengesetz verabschiedet. Die Bundesregierung müsste dieses dann nachträglich an die Anforderungen der Richtlinie anpassen. Das deutsche Gesetz gilt ab 1. Januar 2023.

Initianten der Schweizer Konzernverantwortungsinitiative wollen, eines Artikels der Luzerner Zeitung nach, bestärkt durch die Ankündigung des EU-Gesetzes, ihr Freiwilligennetzwerk reaktivieren. Da das Hauptargument einer internationalen Abstimmung über ein solches Gesetz nun entfällt, wollen sie im Sommer 2022 eine Petition mit einer Handlungsaufforderung an den Bundesrat lancieren.

Die Kritik am EU-Lieferkettengesetz und die Forderung nach Nachbesserungen

Die generelle Kritik an dem Entwurf lautete, dass dieser noch nicht weit genug reiche und noch Lücken aufweise.

So ist ein Kritikpunkt, dass viele Unternehmen weit unter den Schwellenwert fallen und damit nicht von der EU-Regelung betroffen sein werden. Eine weitere Befürchtung ist zudem von Nichtregierungsorganisation, dass Lobbyisten auf EU-Ebene einen grossen Einfluss haben werden und dass die Verabschiedung des Gesetzes am Ende entweder zu lange dauern wird oder stark abgeschwächt.

Auch die Initiative Lieferkettengesetz, ein Bündnis aus über 125 zivilgesellschaftlichen Organisationen, fordert ein starkes europäisches Lieferkettengesetz, was eine Nachbesserung des deutschen Lieferkettengesetzes (LkSG) zur Folge hätte.

Andere befürchten eine zunehmende Belastung für betroffene Unternehmen, die in den letzten Jahren ausserdem schon unter der Corona-Pandemie zu leiden hatten, sowie einen enormen Kontroll- und Bürokratieaufwand. Eine weitere Sorge aus Industrie- und Wirtschaftskreisen sind Wettbewerbsnachteile durch zu viel Regulierung.

Warum brauchen wir ein europäisches Lieferkettengesetz?

Zum Schutz der Menschrechte und der Umwelt, denn weltweit arbeiten Millionen Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen, Zwangsarbeit und Kinderarbeit ist an der Tagesordnung. Löhne unter dem Existenzminimum sind keine Seltenheit. Viele Menschen arbeiten unter lebensgefährlichen Sicherheitsstandards und leiden lebenslang unter den gesundheitlichen Konsequenzen. Und die Umwelt leidet ebenfalls darunter mit verheerenden Folgen für die Zukunft und die Lebensgrundlage Millionen Menschen. Somit sind Ausbeutung und Umweltzerstörung auch ein Teil der Lieferketten europäischer Unternehmen.

Und der Trend zu menschenverachtenden Arbeitsverhältnissen wächst nach Beobachtungen des Europäische Zentrums für Menschenrechte, vor allem in China wird dieses Problem immer grösser, laut Amnesty International.

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