Hinweisgeberschutzgesetz – Alles, was Sie wissen müssen

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist seit Juli 2023 in Kraft und verpflichtet deutsche Unternehmen dazu, interne Hinweisgebersysteme bereitzustellen.

Moritz Homann
Auf einen Blick

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist seit Juli 2023 in Kraft. Welche Pflichten bringt es für Arbeitgeber und wie gelingt die Umsetzung? Alle Informationen, Praxis-Tipps und Hintergründe. 

Aktueller Stand zum Hinweisgeberschutzgesetz: Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz gilt seit dem 2. Juli 2023 verbindlich für alle Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen ab 50 Mitarbeitenden. Diese sind zur Einrichtung eines internen Meldekanals (z. B. eines Hinweisgebersystems) verpflichtet.  Das Fehlen eines internen Hinweisgebersystems kann hohe Bußgelder zur Folge haben. 

Das Gesetz soll Whistleblower vor Repressalien schützen, wenn diese im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die Meldestellen weitergeben. 

Alle Informationen, Praxis-Tipps und Hintergründe zum Hinweisgeberschutzgesetz finden Sie auf unserem Blog. 

 

Was ist das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)?

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist die deutsche Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie, die im Dezember 2021 vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde. Diese legt EU-weit einen standardisierten Schutz für Hinweisgeber fest.

Das Hinweisgeberschutzgesetz verbietet jegliche Repressalien und Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Hinweisgebenden.

Das Gesetz regelt den Schutz natürlicher Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die internen oder externen Meldestellen weitergeben (= hinweisgebende Personen). Auch Personen, die Hinweisgeber unterstützen oder von der Meldung betroffen sind, fallen unter den Schutz des Gesetzes.


Das Hinweisgeberschutzgesetz auf einen Blick

Checkliste zum HinSchG

Die wichtigsten Schritte zur Erfüllung des neuen Gesetzes.


Das Hinweisgeberschutzgesetz im Detail: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Viele Unternehmen und Kommunen fragen sich jetzt, ob sie vom Hinweisgeberschutzgesetz betroffen sind und was sie tun müssen, um es Compliance-konform umzusetzen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wer ist vom Hinweisgeberschutzgesetz betroffen?

Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden müssen bereits seit dem 2. Juli 2023 sichere Meldekanäle eingeführt haben. Die Bußgelder für das Fehlen eines internen Meldesystems können seit 2. Dezember 2023 fällig werden. Seit dem 17. Dezember 2023 fallen auch Unternehmen mit 50-249 Mitarbeitenden unter das Gesetz.

Für spezielle Bereiche, etwa die Finanzbranche, gilt die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle unabhängig von der Zahl der Beschäftigten (§12 Absatz 3 HinSchG)

Gilt das Hinweisgeberschutzgesetz auch für Kommunen?

Ja, auch der öffentliche Sektor sowie Städte und Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern fallen unter das Gesetz.

Wer ist durch das HinSchG geschützt?

Das HinSchG schützt alle Personen, die im beruflichen Kontext Informationen über Verstöße melden. Dazu gehören:
– Arbeitnehmer
– Beamte
– Selbstständige
– Aktionäre
– Praktikanten und Auszubildende
– Freiwillige

Wer kann hinweisgebende Person sein?

Arbeitnehmende, Beamte, Selbstständige, Gesellschafter, Praktikanten, Freiwillige, Mitarbeitende von Lieferanten sowie Personen, deren Arbeitsverhältnis bereits beendet ist oder noch nicht begonnen hat und sich in einem vorvertraglichen Stadium befindet.

Für welchen Anwendungsbereich bzw. welche Verstöße gilt das Hinweisgeberschutzgesetz?

Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz gilt für Hinweise auf Verstöße gegen europäisches UND nationales Recht. Es geht also über die Mindestanforderungen der EU-Whistleblower-Richtlinie hinaus und weitet den sachlichen Anwendungsbereich auf Verstöße gegen das nationale Recht aus. Damit will der deutsche Gesetzgeber Unsicherheit bei Whistleblowern vermeiden. Diese könnten sonst aus Angst, dass ihre Meldung doch nicht durch das Gesetz abgedeckt ist, von einer Meldung Abstand nehmen.  

Voraussetzung: Es muss sich um Straftaten handeln oder um Ordnungswidrigkeiten, die Gesundheit/Leben gefährden oder die Rechte von Beschäftigten und deren Vertretern betreffen. Außerdem werden in §2 HinSchG Verstöße gegen weitere relevante Rechtsvorschriften benannt, zum Beispiel zur Bekämpfung von Geldwäsche, zur Produktsicherheit oder Vorgaben zum Umweltschutz. 

Der Anwendungsbereich bleibt auf den beruflichen Kontext beschränkt. Hinweise über Verstöße fallen nur unter den Anwendungsbereich des Gesetzes, wenn sie sich auf den Arbeitgeber oder andere Stellen beziehen, mit dem der Hinweisgebende beruflich in Kontakt stand. Verstößen könnten dabei Korruption, Steuerhinterziehung, Verstöße gegen Umweltvorschriften, Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen, Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz sein.

Was müssen Arbeitgeber zum Schutz von Hinweisgebern tun?

Was bedeutet die Beweislastumkehr zu Gunsten des Hinweisgebers?

Wenn ein Whistleblower der Ansicht ist, dass er wegen seiner Meldung eine Benachteiligung erfahren hat, ist der Arbeitgeber in der Pflicht, dies zu widerlegen (§36 Absatz 2 Hinweisgeberschutzgesetz). Der Arbeitgeber muss somit zum Beispiel nachweisen, dass zwischen einer Kündigung einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters und der Meldung von Missständen keinerlei Verbindung besteht. Allerdings muss die betroffene Person substantiiert geltend machen, dass die Benachteiligung eine Repressalie ist. 

Welche Meldestellen schreibt das Hinweisgeberschutzgesetz vor?

Welche Anforderungen müssen die Meldestellen erfüllen?

Dürfen Unternehmen und Kommunen interne Meldestellen teilen oder outsourcen?

Für Organisationen zwischen 50 und 249 Mitarbeitenden sieht der Gesetzgeber vor, dass sich diese Hinweisgebersysteme teilen dürfen. Ebenso dürfen Gesellschaften/Konzerne, unabhängig von ihrer Größe, gemeinsame Meldekanäle nutzen. Hier kann die Mutter die Rolle der meldestellenbetreuenden Dritten übernehmen. Darüber hinaus ist es möglich, die Meldestelle an eine Einrichtung außerhalb der Firma, zum Beispiel eine Ombudsperson, auszulagern. 

Kann der Hinweisgeber frei wählen, ob er sich an die interne oder externe Meldestelle wendet?

Darf ein Hinweisgeber auch an die Öffentlichkeit gehen?

Sollten die Hinweise eines Whistleblowers an die Meldestelle ohne Rückmeldung bleiben oder besteht ein hinreichender Grund für eine „Gefährdung des öffentlichen Interesses“, fallen Betroffene beim Gang an die Öffentlichkeit (über Presse, Medien und Social Media) ebenfalls unter den Schutz des Hinweisgebergesetzes. 

Rund 90 % aller Hinweisgeber versuchen zunächst intern, die beobachteten Missstände anzusprechen, bevor sie sich an Behörden, Medien oder die Öffentlichkeit wenden – vorausgesetzt, sie finden im Unternehmen geeignete Kanäle und eine offene Kultur vor.  

– FISCHER, EVA (2019): EU-KOMMISSION UND EUROPAPARLAMENT STREITEN ÜBER SCHUTZ VON WHISTLEBLOWERN 

Müssen laut Hinweisgeberschutzgesetz anonyme Hinweise bearbeitet werden?

Das Gesetz verpflichtet zwar nicht dazu, aber empfiehlt den internen und externen Meldestellen, dass sie auch anonyme Hinweise bearbeiten sollen (§ 16). 

Der Whistleblowing-Report 2021 zeigt, dass 73,2% der Hinweisgeber sich dafür entscheiden, anonym zu bleiben, wenn diese Option verfügbar ist. 

Viele Organisationen haben die Vorteile anonymer Meldewege längst erkannt und nutzen diese, um die Zahl der wertvollen Meldungen durch Hinweisgeber zu erhöhen.

Welche Bearbeitungsfristen schreibt das Hinweisgeberschutzgesetz vor?

Das Gesetz sieht zwei Fristen zur Rückmeldung vor, die zwingend eingehalten und dokumentiert werden müssen:

Expertenwissen in 7 Minuten: Aktueller Stand und To-Dos

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Wie sollte ein Verfahren bei internen Meldungen laut §17 Hinweisgeberschutzgesetz ablaufen?

Welche Sanktionen und Schadensersatzansprüche drohen?

Best Practices zur Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes

1: Wählen Sie die passenden internen Meldekanäle aus

Das Hinweisgeberschutzgesetz macht keine Vorgaben über die konkrete Art des Meldesystems. Möglichkeiten sind zum Beispiel ein Briefkasten, ein spezielles E-Mail-Konto, eine Telefonnummer, eine Ombudsperson oder ein digitales Hinweisgebersystem. Die meisten Organisationen entscheiden sich für die Einführung einer digitalen Plattform, da sich damit die gesetzlichen Anforderungen am besten und effizientesten umsetzen lassen. Laut einer aktuellen Umfrage, setzen bereits 73 % der befragten europäischen Unternehmen im privaten Sektor auf ein digitales Hinweisgebersystem. 

2: Führen Sie ein digitales Hinweisgebersystem ein

Der professionelle Einsatz von digitalen Hinweisgebersystemen kann präventiv viele Verbrechen und Skandale verhindern oder aufklären. Auch für mittelständische und kleine Firmen gibt es bereits kostengünstige Lösungen. Oftmals wird ein digitales System auch mit einer Ombudsperson von einer externen Kanzlei kombiniert. 

Wenn Sie bereits ein Hinweisgebersystem innerhalb eines Compliance-Management-Systems etabliert haben, sollten Sie dieses auf die Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes anpassen, damit es allen Dokumentations- und Informationspflichten entspricht. 

3: Definieren Sie Prozesse für das Meldeverfahren

Legen Sie bereits im Vorfeld fest, welche Person oder welches Team die eingehenden Hinweise bearbeiten soll und was mit diesen passiert. Welche Maßnahmen erfolgen? Am besten dokumentieren Sie die Prozesse in einer Whistleblowing Policy, die Sie in Ihrer Organisation veröffentlichen.

4: Kommunikation ist das A und O

Informieren Sie die Belegschaft auf allen relevanten Kanälen über das neue Hinweisgebersystem. Berichten Sie zum Beispiel in der Mitarbeiterzeitschrift, im Intranet oder Newslettern darüber und begleiten Sie die Einführung mit Flyern, Social-Media-Kampagnen oder Videos. Je besser Sie kommunizieren und je leichter die Hinweisgeberkanäle zugänglich sind, desto erfolgreicher werden diese auch genutzt.  

5: Etablieren Sie eine Speakup-Kultur

Ermutigen Sie Mitarbeitende dazu, Compliance-Verstöße zu melden, und stellen Sie klar, dass Whistleblowing kein „Verpetzen“, sondern im Interesse der Organisation ist. Die Praxis zeigt außerdem, dass ein Hinweisgebersystem insbesondere dann erfolgreich ist, wenn es in eine offene und transparente Speakup-Kultur eingebettet ist. 

Noch mehr Tipps im Whitepaper

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Warum ist Hinweisgeberschutz so wichtig für Unternehmen?

Auf den ersten Blick mag die Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes zunächst einmal lästig wirken. Tatsächlich bringt es aber viele Vorteile für Unternehmen. Denn indem sie sicheres Whistleblowing ermöglichen und Hinweisgeber schützen, können sie Compliance-Verstöße und Missstände frühzeitig aufdecken und gegensteuern, bevor großer Schaden entsteht. 

Die Kassiererin im Supermarkt, die merkt, dass der Filialleiter verdorbene Lebensmittel umetikettiert; der Buchhalter, der entdeckt, dass der CEO seine privaten Reisen über das Firmenkonto finanziert – beide stellen sich vermutlich die gleiche Frage: Sollen sie den Missstand melden?  In der Vergangenheit hatten es Hinweisgeber nicht leicht und mussten Repressalien befürchten. Außerdem wurden sie häufig als „Denunzianten“ stigmatisiert. 

Genau hier setzt das neue Gesetz an: Es soll Whistleblower zukünftig vor Repressalien wie Kündigung, Abmahnung, Versagung einer Beförderung, geänderte Aufgabenübertragung, Rufschädigung, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung oder Mobbing schützen.  

Ein weiter Weg: das Gesetzgebungsverfahren zum Hinweisgeberschutzgesetz

Das Hinweisgeberschutzgesetz war also längst überfällig. Doch der Weg dorthin war weit. Immer wieder scheiterten Entwürfe und es kam zu Rückschlägen. Das Gesetzgebungsverfahren liest sich wie ein Krimi. Die wichtigsten Meilensteine im Überblick: 

Hinweisgeberschutzgesetz-Kritik: die größten Streitpunkte

Beim ersten Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes missfiel der Union der Vorstoß der SPD, das Gesetz über die Vorgaben der EU hinaus auf das deutsche Recht auszuweiten. Sie warf dem ehemaligen Koalitionspartner SPD vor, der deutschen Wirtschaft eine Mehrbelastung während der Pandemie zuzumuten. Die Union forderte daher, das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz auf die Vorgaben der EU-Whistleblowing-Richtlinie zu beschränken.  

Auch seitens von NGOs gab es Kritik. Transparency International Deutschland e.V. sah an einigen Stellen großen Verbesserungsbedarf, vor allem beim Umgang mit Meldungen ohne Klarnamen. Die Meldestellen werden nach HinSchG nicht zur Bearbeitung von anonymen Hinweisen verpflichtet, dies wird jedoch im Gesetz empfohlen. 

Annegret Falter, Vorsitzende des Whistleblower-Netzwerks begrüßte den vorigen Entwurf zwar als großen Fortschritt, sah aber einige Schutzlücken für Hinweisgebende, vor allem im Bereich von Verschlusssachen. Laut Entwurf schützt das Gesetz dann nur die Meldungen, „wenn sie sich auf die unterste Geheimhaltungsstufe beziehen, Straftaten betreffen und absolut behördenintern bleiben“.  

 

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Moritz Homann contact image | integrityline.com
Moritz Homann
Managing Director Corporate Compliance | EQS Group
Moritz Homann verantwortet beim Münchner Technologieanbieter EQS Group den Produktbereich Corporate Compliance. In dieser Funktion betreut er die strategische Entwicklung digitaler Workflow-​Lösungen, die auf die Bedürfnisse von Compliance-​Beauftragten auf der ganzen Welt zugeschnitten sind.