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Wie die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften ihre globale Speak up-Kultur mit EQS Integrity Line fördert
Branche: Hilfsorganisation
Budget: 494,444,000 CHF (2021)
National Gesellschaften: 192
Gründungsjahr: 1919
Im Jahr 2020 führte die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften (IFRC) in Zusammenarbeit mit der EQS Group ein neues Hinweisgeber- und Fallmanagementsystem namens Integrity Line ein. In unserer Fallstudie untersuchen wir, warum sich die Katastrophenhilfsorganisation für ein digitales Hinweisgebersystem entschied, wie die Umsetzung ablief und welche positiven Auswirkungen bereits feststellbar sind.
Seit mehr als 100 Jahren verfolgt die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften (IFRC) die Mission, menschliches Leid zu verhindern und zu mildern, das Leben und die Gesundheit von Menschen zu schützen und sich für die Achtung der Menschenwürde einzusetzen. Darüber hinaus hat es sich die IFRC zum Auftrag gemacht, bei der Entwicklung einer internationalen offenen Kommunikationskultur mitzuwirken.
Als Teil dieser Bemühungen, das Vertrauen der Stakeholder zu stärken und eine „Speak-up“-Mentalität zu fördern, hat die IFRC das digitale Hinweisgebersystem der EQS Group eingeführt. Nach intensiver Evaluierung verschiedener Anbieter fiel die Wahl auf EQS Integrity Line und wurde nun erfolgreich implementiert.
Ausgangssituation – Der Wunsch nach einer offenen Speak-up-Kultur
Die IFRC ist das größte humanitäre Netzwerk der Welt. Durch die Arbeit von 13,7 Millionen Freiwilligen werden 150 Millionen Menschen in 192 Ländern erreicht. Im Rahmen der Strategie 2030 hat sich die Organisation dazu verpflichtet, die großen humanitären und entwicklungspolitischen Herausforderungen dieses Jahrzehnts zu bewältigen — und zwar ohne Diskriminierung aufgrund von Nationalität, Rasse, Geschlecht, Religion, Klasse oder politischer Überzeugung.
Im Rahmen der Strategie 2030 wurden die Stärkung des Vertrauens in die Organisation und des Verantwortungsbewussts ins der Mitglieder als die Prioritäten für die Transformation der IFRC definiert. Das begleitende Projekt läuft unter dem Namen „RC² Integrity“ und verfolgt das Ziel, Fälle und Anschuldigungen, die auf Verstöße gegen humanitäre Grundsätze und Werte hinweisen, noch früher zu erkennen und darauf zu reagieren. Zudem soll unter den Freiwilligen und Mitarbeitenden eine offene Kommunikationskultur („Speak-up“-Kultur) gefördert werden. Um dies zu erreichen, setzt die IFRC auf eine ethische Organisationskultur, die das persönliche und institutionelle Verantwortungsbewussts in in den Mittelpunkt der Arbeit stellt. Ein wichtiger Schritt war hierbei die Einführung eines digitalen Hinweisgebersystems.
Die Bemühungen der IFRC, neue und moderne Compliance-Standards durch das „RC² Integrity“ Projekt umzusetzen, wurden sogar mit einer Nominierung für den ECEC Award im Rahmen der European Compliance and Ethics Conference 2021 gewürdigt.
Modernisierung des Compliance-Programms und Entscheidungsprozesse innerhalb der IFRC
Vor der Strategie 2030 waren die Compliance-Tools und Ermittlungsmöglichkeiten der IFRC auf einem Stand von vor 2010 und bedurften dringend einer Überarbeitung. Denn vor der Umstellung auf ein digitales Compliance System wurde der Großteil der Untersuchungen mit Word und Excel durchgeführt. In den vergangenen sechs Jahren begann die Organisation deshalb in moderne Lösungen in den Bereichen Prävention, Investigation und Aufklärung zu investieren.
Zunächst evaluierte IFRC zehn Anbieter von Hinweisgebersystemen und reduzierte die Auswahl schließlich auf fünf. Es wurden sowohl Callcenter-basierte Systeme, die weniger technologisch ausgefeilt waren, als auch umfassende digitale Lösungen geprüft. Letztendlich entschied sich die IFRC für das digitale Hinweisgebersystem EQS Integrity Line.
Die Gründe für die Umstellung auf ein digitales Hinweisgebersystem
Die IFRC nutzte ursprünglich das Hinweisgebersystem eines externen Anbieters. Dies führte jedoch zu einer hohen Dunkelziffer an unerkannten Fällen, da das System nur zögerlich von den Mitarbeitern angenommen wurde. Dennoch stieg die Zahl an Meldungen in den vergangenen Jahren drastisch und die Organisation musste mit der Einrichtung mehrerer Kanäle reagieren. Der Flickenteppich aus unterschiedlichen Systemen, die Vielzahl an IFRC-Mitgliedern und das enorme Volumen an Berichten führte zu zahlreichen strukturellen und kulturellen Problemen mit dem bestehenden System. Daher war es sehr wichtig, dass ein neues digitales System skalierbar ist, um die Mitglieder in den verschiedenen Ländern zu unterstützen.
Wie die IFRC digitale Compliance jetzt einsetzt
Die IFRC nutzt ihr digitales Compliance-System nun sowohl zur Prävention als auch zur Aufdeckung von Missständen. Auf Präventionsebene wird es für Schulungen und zur Verbesserung der Organisationskultur eingesetzt. Darüber hinaus wird es auch für E Learning und zur Kommunikation von Compliance-Maßnahmen genutzt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Vermittlung von Richtlinien und der Stärkung der Organisationskultur in Bezug auf Verantwortlichkeit und Transparenz.
Auch zur Aufdeckung und Untersuchung von Missständen kommt Technologie zum Einsatz. Zum Beispiel für regelmäßige Audits und zur Datenanalyse. Aktuell werden Telefone und Laptops häufig noch in IT forensischen Laboren untersucht. Dadurch, dass aufgrund der Covid-19 Pandemie zunehmend im Homeoffice gearbeitet wird, ist davon auszugehen, dass sich dies auch auf Untersuchungsprozesse auswirken wird.
Fünf Fragen an: André Caria
André Caria
Head of Investigations at the IFRC
André kam im Juni 2015 als Head of Investigations in die IFRC-Abteilung für Innenrevision und Ermittlungen und wurde 2020 Leiter der Ermittlungen. Er hat mehr als 100 Untersuchungen von Fehlverhalten in Europa, Afrika, Amerika und Asien durchgeführt und koordiniert, einige davon in extrem komplexen Umgebungen. Neben der Einführung eines Rahmenwerks zur Betrugsbekämpfung schulte er Hunderte von IFRC-Mitarbeitern in der Betrugsprävention, betreute Ermittler und schloss Partnerschaften mit führenden Bildungsorganisationen. Er begann seine Laufbahn im Bereich Governance, Risiko, Kontrolle und Audit bei Protiviti und war auch bei Fiat und PwC tätig.
1. Wie haben Sie die Mitarbeiter über das neue Hinweisgebersystem informiert? Haben Sie es auch für Hinweise von außen geöffnet?
Die Bekanntmachung des neuen Systems war nicht schwierig. Wir haben auf eine Reihe traditioneller Kommunikationskanäle zurückgegriffen und uns über E-Mail, Webinare, Townhall-Meetings und so weiter an die Mitarbeiter gewandt. Wir haben es auch schon für externe Parteien geöffnet — in erster Linie für unsere Lieferanten, da wir als gemeinnützige Organisation keine Kunden haben. Alle relevanten Interessensgruppen wurden während des Vertragsprozesses über unsere Null-Toleranz Politik gegenüber Korruption informiert. Eine andere Herausforderung sind Dienstleistungsnutzer, da diese mit der Integrity Line nur schwer zu erreichen sind. Der Türkische Rote Halbmond und die IFRC haben beispielsweise 1,8 Millionen Dienstleistungsnutzer in der Türkei. In diesem Fall greifen wir immer noch auf traditionelle Kanäle und Feedback-Mechanismen für die Community zurück. Mitarbeiter, die mit den Communities in Kontakt stehen, können sensibles Feedback wiederum über die Integrity Line melden.
2. Wie haben die Mitarbeiter auf das neue Hinweisgebersystem reagiert?
Die Rückmeldungen sind bisher positiv. In der Vergangenheit gab es Misstrauen gegenüber der Telefon-Hotline, vor allem im Hinblick auf den Schutz der übermittelten Daten und Hinweise. Mit der neuen Lösung haben die Mitarbeiter die Gewissheit, dass es nur ein einziges System gibt, über das sie auf ihre Daten zugreifen und mit uns kommunizieren können. Das schafft Vertrauen, da sie sicher sein können, dass ihre Meldung vertraulich behandelt wird und ihre persönlichen Daten verschlüsselt gespeichert werden. Wir können das wachsende Vertrauen daran erkennen, dass wir weniger anonyme Meldungen erhalten als früher. Deutlich mehr Mitarbeiter fühlen sich sicher genug, um ihren Namen preiszugeben, wenn sie sich an uns wenden. Ein klarer Ausdruck von Vertrauen.
3. Welche anderen Anforderungen waren für Sie bei der Einrichtung des digitalen Hinweisgebersystems wichtig?
In Anbetracht unserer internationalen Organisation und unserer Freiwilligen war es äußerst wichtig, dass das System kostenlos zugänglich ist. Außerdem musste es über mehrere Kanäle erreichbar sein und E-Mail, Telefon, Internet und Text einbinden. Da wir eine Katastrophenhilfsorganisation sind, brauchten wir spezielle Telefonnummern für die Hilfsaktionen, an denen wir beteiligt sind. Zudem war die Implementierung eines digitalen Hinweisgebersystems mit integriertem Fallmanagement ein wichtiges Kriterium für uns.
4. Welches war das größte Hindernis, auf das Sie gestoßen sind und welche Lehren haben Sie aus dem Prozess gezogen?
Ich würde sagen, dass die verfahrenstechnischen Schritte und Anforderungen ein Hindernis darstellten, da sie die Qualifizierung, Auswahl und Implementierung des digitalen Hinweisgeber- und Fallmanagementsystems verzögerten. Eine weitere Herausforderung war es, Menschen zusammenzubringen, die früher unabhängig voneinander arbeiteten, um eine gemeinsame Definition von Integritätsverletzungen festzulegen. Hinzu kam die Migration von alten Daten aus früheren Systemen in die neue Plattform. Covid-19 war natürlich eine weitere Hürde, da die Umstellung mitten in der Pandemie stattfand und wir mit Beschäftigten zusammenarbeiten mussten, die im Homeoffice waren.
Die wichtigste Erkenntnis aus dem Projekt ist, dass man mehr Zeit für die Sensibilisierung und Kommunikation über die Vorteile der neuen Lösung einplanen sollte — sowohl intern als auch extern.
5. Was ist Ihr aktueller Arbeitsschwerpunkt?
Derzeit sind wir dabei, Integrity Line bis Ende 2022 auf 45 bis 60 nationale Gesellschaften – Mitglieder der IFRC – zuzuschneiden und dort einzuführen. Wir schulen 135 bis 180 Fallmanager, die mit Integrity Line arbeiten. Dadurch stellen wir sicher, dass alle Vorfälle umgehend im System erfasst und beurteilt werden können. Kritische Fälle sollen dann mit klaren Empfehlungen für zeitnahe und wirksame Maßnahmen priorisiert werden.
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